Wenn die deutsche Oscar-Hoffnung Max Zähle privat durch seine Heimatstadt Celle streift oder durch Hamburg,
wo er Film studiert hat, dann meistens in Turnschuhen. Zur großen Award-Nacht in L. A. will der lässige Bartträger aber auf jeden Fall in Lackschuhe schlüpfen, auch wenn sich das fremd anfühlt. Der Regisseur fühlt sich bislang lediglich als "Gast in Hollywood". Seine Rolle zwischen Arbeitswirklichkeit und Glamour sucht er seit der Nominierung für seinen Kurzfilm "Raju" noch.
Kauen Sie eigentlich an den Fingernägeln, wenn Sie aufgeregt sind?
Nee.
Auch nicht in diesen Tagen? Immerhin könnten Sie den wichtigsten Filmpreis gewinnen.
Die Verleihung scheint mir noch weit weg zu sein. Ich glaube, Fingernägel kauen werde ich allerdings auch an dem Tag nicht. Aber wenn ich vom roten Teppich in den Saal gehe, wird mir das Ausmaß der Veranstaltung sicher bewusst - und das macht mich dann ganz bestimmt nervös. (lacht)
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Ist der Smoking für den großen Abend schon fertig?
Ja, unser "Raju"-Team hat von Wolfgang Joop eine Auswahl an Anzügen und Smokings zur Verfügung gestellt bekommen. Das war cool: Da kam ein großer Karton mit einer Kleiderstange voller Klamotten an.
Ist das Ihr erster Smoking?
Ja. Und meine Freundin findet, dass er mir gut steht.
Ihre Freundin Johanna hat bei dem Film mitgeholfen. Wird sie Sie nach Los Angeles begleiten?
Ja, sie wird auf dem roten Teppich an meiner Seite sein und im Saal meine Hand halten.
Angefangen haben Sie als Kabelträger - und nun haben Sie mit Ihrer Abschlussarbeit an der Filmhochschule eine Oscar-Nominierung abgeräumt. Eine filmreife Geschichte, oder?
Auf jeden Fall ein Riesentraum! Ich bin zwar nicht der erste Hochschulabsolvent, der für den Oscar nominiert wurde, aber ich hoffe natürlich, jetzt in der Filmbranche einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Nominierung ist ein wirkliches Geschenk. Sie freut alle, die daran mitgearbeitet haben. Auch die Schauspieler.
Julia Richter und Wotan Wilke Möhring haben in diesem Adoptionsdrama um einen indischen Jungen ohne Gage mitgespielt. Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe ihnen das Buch geschickt, und es hat sie berührt. Beide haben selbst Kinder, deshalb wollten sie "Raju" gerne erzählen.
In Ihrem Film geht es um Bindungen zwischen Menschen. Wie wichtig sind Ihnen Freunde?
Sehr wichtig. Was mir gerade passiert, ist wunderbar - aber es wäre doch dramatisch, wenn ich der Einzige wäre, der sich drüber freut. Jetzt freuen sich viele mit.
Wie hat Ihre Mutter reagiert, als Sie sie nach der Nominierung angerufen haben?
Sie hat gefragt: "Ja, und was heißt das jetzt?" Als ich es ihr erklärt hatte, hat sie sich mit mir gefreut. Aber meine Eltern sind ehrliche, bodenständige Typen, die drehen bei so etwas nicht ab.
Ihre Mutter sagt, Ihnen sei schon immer alles gelungen ...
Mein Erfolg war harte Arbeit. Ich habe viel investiert, und mit Sicherheit habe ich einen sehr großen Ehrgeiz. Aber ich bin auch schon 34 Jahre alt, es gibt Regisseure, die zu diesem Zeitpunkt schon ihren ersten langen Film gedreht haben. Ich schreibe für meinen noch am Buch.
Aber Sie glauben offenbar immer hundertprozentig an Ihre Projekte. Die "Raju"-Dreharbeiten in Kalkutta waren schwer planbar, und trotzdem haben Sie zwei deutsche Kinostars dorthin geschleppt. War das kein Risiko?
Schon, aber ich glaube immer erst mal, dass die Dinge funktionieren. Vielleicht ist das meine Stärke, dass ich Risiken realistisch einschätzen kann und nicht größenwahn sinnig werde. Diese Bodenständigkeit habe ich in Celle gelernt, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe immer noch den gleichen Freundeskreis wie früher. Und meine Kumpels freuen sich zwar mit, aber eigentlich ist denen komplett wurst, ob ich eine Oscar-Nominierung habe oder nicht. Früher haben wir geskatet, Hörspiele aufgenommen, Filmchen gedreht, Spiele entwickelt. So was macht frei im Kopf.

Werden Ihre Freunde in der Oscar-Nacht gemeinsam vorm Fernseher sitzen?
Kann sein. In meiner Lieblingskneipe in Celle, im "Rio's", soll es ein Public Viewing geben. Das gefällt mir.
Gibt es einen Hollywood-Star, den Sie besonders gern auf dem roten Teppich treffen möchten?
Nein, keinen besonderen. Ich war total glücklich, mit den deutschen Stars Wotan Wilke Möhring und Julia Richter zu arbeiten. Aber klar, wenn ich in Hollywood an Martin Scorsese vorbeigehe ... Der Mann hat Filmgeschichte geschrieben. Nach einem Autogramm werde ich ihn trotzdem nicht fragen. Andrea Schumacher