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Laura Karasek Die Lust im Gewand der Liebe

Laura Karasek
© Picture Alliance
Mutiger Tabubruch oder billiger Mommy-Porn? Laura Karasek über den Weltbestseller "Fifty Shades Of Grey", das literarische Phänomen des Jahres

Zwei Gedanken wechselten sich ab,

als ich "Fifty Shades Of Grey" las: "Warum habe ich dieses Buch nicht geschrieben?!" (ein innerer Ausruf von Reue und Neid) und "Gott sei Dank habe ich dieses Buch nicht geschrieben!" (erleichtertes Aufatmen, weil mir das Werk doch peinlich gewesen wäre. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der fehlenden sprachlichen Qualität und Originalität).

Aber ich werde mich hüten, hier Erfolgsromane zu verreißen. Schließlich weiß ich selbst, wie verwundbar ein Buch macht. Es ist wie mit einem Kind. Man möchte, dass es gelobt wird, dass die Leute ständig sagen: "Der kleine Roman ist aber hübsch und aufregend und so begabt!" Jedes Buch ist auch ein Striptease - und wer steht schon gerne nackt im Schnee und wird dabei mit Tomaten beworfen? Das Schöne an diesem Erfolg ist, dass er so unvorhersehbar und rätselhaft ist. Wie in der Liebe, wo man sich fragt: "Warum ausgerechnet der (oder die)?" Vielleicht geht es auch - ebenfalls wie in der Liebe: Gegensätze ziehen sich an - um die Mischung aus Schnulze und Porno, das Zusammenspiel von Romantik und Perversion. Es ist, als würde in einem Disney-Film plötzlich ein Vibrator auftauchen. Überraschend, neu und damit reizvoll für viele Leserinnen quer durch die Generationen.

Manche Mädchen haben sich möglicherweise auch ein bisschen Sexualkunde versprochen oder Balsam für die eigenen Triebe: "Ich bin gar nicht pervers. Da gibt's ja andere, die sind noch viel dreckiger als ich!" Der Porno ist plötzlich salonfähig geworden. Man kann jetzt mitreden und muss dabei noch nicht einmal das Buch in Papier einwickeln, wenn man es in der U-Bahn liest. Das Bekennertum geht so weit, dass inzwischen Strampelanzüge mit der Aufschrift "9 Months Ago My Mommy Read Fifty Shades Of Grey" verkauft werden. Bei allem Hype um "Shades Of Grey" - die Kritiken waren miserabel. Die Autorin E.L. James pariert sie unaufgeregt: "Dass so viele Leute die Geschichten mögen - das ist die Anerkennung, um die es mir geht." Der kommerzielle Erfolg bringt eine wonnige Genugtuung mit sich. Ähnlich gelassen wird sie darauf reagieren, dass ihre Bücher inzwischen als Scheidungsgrund angeführt werden. Eine 41-jährige Bankerin aus Großbritannien verließ ihren Mann, weil er "im Bett langweilig" sei. Auf das von ihr nach der "Fifty Shades"-Lektüre gekaufte Sex-Spielzeug sprang er nicht an.

In ihrem Debütroman "Verspielte Jahre" schickt Laura Karasek - hauptberuflich Anwältin - ihre Heldin Theresa beim Party-Hopping
In ihrem Debütroman "Verspielte Jahre" schickt Laura Karasek - hauptberuflich Anwältin - ihre Heldin Theresa beim Party-Hopping auf die Suche nach Liebe und Glück (Quadriga, 400 S., 19,99 Euro).
© PR

"Macht sie das alles etwa auch zu Hause?" Diese Frage muss sich E. L. James genauso gefallen lassen wie ihr Ehemann Niall Leonard, der darauf inzwischen leicht genervt reagiert. Bekannt ist, dass das Paar "einige Praktiken ausprobiert" hat. Einen biografischen Kern hat ja jedes Buch. Nur ein Autor, der sich entblößt und aufrichtig ist, kann ein gutes Buch schreiben. Leser möchten in einem Text auch Abgründe finden, über die sie selbst noch nie zu sprechen wagten. Manchmal schreiben mir Leser: "Woher wissen Sie, wie ich liebe? Woher ahnen Sie, was mich umtreibt, sorgt, euphorisiert?" Das Wiedererkennen macht mich immer sehr glücklich. Natürlich spielt auch in meinem Buch Sex eine Rolle. Vor allem die Lust, die im Gewand der Liebe getarnt daherkommt. Manchmal scheinen vor allem Frauen Liebe und Lust zu verwechseln. Mich hat immer am meisten interessiert: Was passiert zwischen Frauen und Männern? Warum verliebt man sich, wodurch entliebt man sich? Vor allem aber: Warum hat man oftmals so ein unergründliches Verlangen nach jemandem, der einem nicht nur guttut …

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