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Kinotipp "12 Years a Slave"

Chiwetel Ejiofor, Benedict Cumberbatch, Michael Fassbender - eigentlich ist die Frage nur, wer für dieses verstörende Drama um einen freien US-Bürger, der im 19. Jahrhundert in die Sklaverei entführt wird, letztlich die meisten Preise mit nach Hause nimmt. Große Namen wie Brad Pitt spielen dagegen nur eine Rolle am Rande

Flehentlich bittet Patsey (Lupita Nyong'o) darum, endlich sterben zu dürfen - erstochen, ertränkt im Sumpf, erschlagen, sie würde jeden Weg aus ihrem Elend als Sklavin und misshandelter Liebling eines cholerischen Plantagenbesitzers heraus nehmen. Der, den sie um Hilfe bittet, ist nur wenig besser dran: Solomon (Chiwetel Ejiofor) ist selbst Sklave, selbst misshandelt und fast hilflos einem Schicksal unterworfen, das ihn als ehemals freien Bürger des Nordens im Süden zum Sklaven macht. Doch töten, das will er nicht. Nicht einmal so. Nicht einmal für Patsey. Sein einziger Antrieb heißt Überleben, am Leben festhalten, in der Hoffnung, doch irgendwann seine Familie wiederzusehen.

Geschichte

Solomon Northup selbst ist die Quelle dieser wahren Geschichte eines Mannes aus dem Staat New York, der im 19. Jahrhundert während eines Engagements als Musiker entführt und als Sklave nach Louisiana verkauft wird. Er wacht nach einer alkoholreichen Nacht in Ketten auf. Den Beteuerungen, er sei ein freier Bürger, folgen nur Gelächter und Schläge. Hautzerfetzende, nervenzerfetzende Prügel und Gewalt von Menschen an Menschen - der Film scheut sich nicht, den Zuschauer Szenen auszusetzen, die schon beim Zusehen wehtun. Ungläubig muss Northup den Verlust der Freiheit hin- und von seinem vorher so bürgerlichen Leben Abschied nehmen. Nur auf Zeit, hofft er. Es werden Jahre.

Northups Kampf ums Überleben auf Zuckerrohr- und Baumwollplantagen, seine Begegnungen mit dem grausamen Alltag der US-Plantagensklaverei und seinen Befreiungskampf verarbeitete er später in einem Buch ("12 Years A Slave", 1853), das nun die Vorlage für ein Hollywood-Drehbuch bildete. Der britische RegisseurSteve McQueen ("Hunger", "Shame") war Co-Autor des Skriptes und machte daraus mit Hilfe großartiger Schauspieler und eines gleichwertig leistungsstarken Kamera- und Ausstattungsteams eine der großen Oscarhoffnungen der Saison. Auch Golden Globes, BAFTAs und alle anderen hübschen, medienträchtigen Statuetten winken.

Stars

Mit Michael Fassbender und Benedict Cumberbatch kann "12 Years A Slave" zwei männliche Stars aufbieten, die derzeit sogar den ebenfalls im Cast vertretenen Brad Pitt in Sachen Hipness den Rang ablaufen. Dass die beiden Lieblinge mit größtenteils weiblicher Fanschar hier hochgradig unsympathische und im besten Fall bemitleidenswerte Charaktere darstellen, ist für sie sicherlich a) gut für das Projekt "Bin Schauspieler, kein Sexsymbol" und b) der Grund, warum der Film nicht schon allein deswegen ein Kassenmagnet ist. Fassbender und Regisseur McQueen haben schon im sexreichen Film "Shame" sehr erfolgreich zusammengearbeitet, Cumberbatch macht gerade wieder durch die dritte Staffel der BBC-Serie um "Sherlock Holmes" von sich reden. Darstellerisch brillant und preisverdächtig neben diesen beiden auch die beiden Hauptrollen, verkörpert von Chiwetel Ejiofor und der bisher wenig bekannten Lupita Nyong'o. Und auch die Nebenrollen sind toll besetzt: Paul Dano, Paul Giamatti, Sarah Paulson, die letztes Jahr in "Beasts Of The Southern Wild" prämierte Quvenzhane Wallis taucht hier als Northups erwachsene Tochter wieder auf.

Fazit

Nur knapp 20 Millionen Dollar wurden für die Verfilmung von "12 Years a Slave" aufgewendet, das gilt im Blockbuster-Land quasi als Independentkino. Gedreht wurde in den Sümpfen von Louisiana, Brad Pitt stand als Produzent hinter dem Projekt. Das ist so eins von den Details, die klarmachen, dass hier natürlich doch ein bisschen Hollywood-Magie wirkt, dass auch die berechtigten Oscar-Ambitionen nicht ganz zufällig entstehen. Auf den italienischen Plakaten zum Film waren zunächst sogar die weltbekannten Nebendarsteller - Brad Pitt, Paul Giamatti - viel größer abgebildet als Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor - ein Fauxpax und Alleingang, den die Filmfirma schnell bedauerte und korrigierte. Immerhin: Auch mit Chiwetel Ejiofor hat man einen Mann an Bord, der schon früher Nominierungen für Filme wie "Dirty Pretty Things", "Children of Men" und "American Gangster" verzeichnen konnte. Dass der Brite sogar 2003 schon im klassischen Feelgood-Weihnachtsfilm "Tatsächlich Liebe ..." dabei war, das haben die meisten inzwischen allerdings vergessen.

Für den nötigen Hollywoodfaktor sorgt zudem die stimmige Musik von Dauerpreisabonnent Hans Zimmer. Zusammen mit der Kamera, die neben all dem Elend auch immer wieder wunderschöne Bilder in den Sümpfen, ungewohnte Perspektiven und friedliche Momente einfängt, die dann umso brutaler wieder zerstört werden, sorgt das wahrscheinlich dafür, dass der Zuschauer den Film gut durchsteht. Denn die Lauflänge von jenseits von zwei Stunden ist, gerade bei Material, das nicht von ausgiebigen Fantasy-Massenszenen lebt, schon nicht mehr in der durchschnittlichen Kinogänger-Wohlfühlzone.

Ein Kassenmagnet wird das beeindruckende Werk aber leider wohl eh nicht werden, in den USA lief es im Oktober bereits in geringer Kinodichte an und spielte nur knapp das Doppelte der Produktionskosten wieder ein, trotz Oscarbuzz. Der europäische Filmstart im Januar dürfte das Ergebnis aber noch deutlich verbessern, gerade weil er auch - aus dem November verschoben - zeitlich so treffend in die Preisverleihungs-Saison fällt und so den einen oder anderen Kulturfan zusätzlich vor die Leinwand locken mag. Dabei kann "12 Years A Slave" wirklich jedem Kinogänger als gut investierte Kinozeit ans Herz gelegt werden. Das sehen immerhin auch 96% der US-Filmkritiker und 93% der Abstimmer aus dem Kinopublikum auf der bekannten Filmbewertungsseite "RottenTomatoes" so.

"12 Years A Slave" läuft ab 16. Januar in den deutschen Kinos.

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