Wenn man Dieter Wiesners Büro betritt,
das in einem Vorort von Frankfurt am Main liegt, ist sofort ersichtlich, dass man es hier mit jemandem zu tun hat, der ganz nahe an Michael Jackson dran gewesen ist. An den Wänden hängen Dutzende Plakate und Fotos, die Wiesner zusammen mit Jackson zeigen - teilweise mit handgeschriebenen Widmungen ("You are the best"). Auf dem Schreibtisch liegen große Jackson-Bildbände, rechts vom Tisch steht eine Glasvitrine mit wertvollen Devotionalien, etwas weiter hängt ein gerahmtes Fax, in dem Joe Jackson Wiesner für seine Arbeit und seine Hilfe dankt.
Der Eindruck trügt nicht - der gebürtige Darmstädter lernte den Weltstar 1994 kennen. Ab 2002 war er der persönliche Manager des Sängers, der am 25. Juni letzten Jahres verstarb, und begleitete ihn auf Schritt und Tritt.
Wiesner sitzt an seinem Computer und klickt sich durch Unmengen von Fotos. Bilder von Jacksons Ranch Neverland bei Santa Barbara, wo er bis 2003 lebte: der Park, die Bahn, das Gästehaus, der Zoo, der schwarze Bentley. Die Erinnerungen sprudeln nur aus ihm heraus. "Überall im Garten auf Neverland hatte Michael künstliche Steine mit Lautsprechern darin aufstellen lassen, aus denen Musik kam. Alles Mögliche, von Soul bis Oper. Bloß nicht seine eigenen Songs. Das wollte er nicht." Oder "Wenn Michael wem die Hand gab, verschwand dessen Hand vollständig in seiner. Er hatte sehr lange Finger und einen starken Händedruck."
Dann betrachtet der Manager, der demnächst eine neue Boyband launchen will, Fotos von Jacksons 45. Geburtstagsfeier in Los Angeles. "Eigentlich mochte er Geburtstage nicht so gern. Er konnte ein riesiges Publikum mitreißen, aber in solchen Momenten war er schüchtern wie ein Kind", sagt er.
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Jacksons Tod liegt nun genau ein Jahr zurück, überall auf der Welt gedenken die Fans in dieser Woche des Kings of Pop. Vor wenigen Tagen war Dieter Wiesner auf dem Anwesen des Jackson-Clans in Encino bei Los Angeles und hat dort Joe, Janet und La Toya getroffen. Er ist mit der Familie nach wie vor in engem Kontakt.
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Sie haben kürzlich die Jackson-Familie besucht. Wie geht es Michaels Kindern?
Es ist ja klar, nach dem Tod von Michael hat sich die Welt für die drei komplett verändert. Natürlich ist das nach wie vor eine schwierige Situation, aber sie machen sich ganz gut. Blanket und Paris sind ganz unbefangen, Prince ist etwas still. Aber sie sind gut versorgt. Katherine ist eine herzensgute Frau.
Michaels Mutter hat das Sorgerecht inne, aber wer wird sich um die Kids kümmern, wenn sie's nicht mehr kann?
Das ist noch offen, so ist jedenfalls mein Eindruck. Ich sag's mal so - diese Frage könnte noch ein großes Streitpotenzial in der Familie entwickeln. Viele Dinge sind halt noch ungeklärt. Michaels Erbe zum Beispiel. Und dann ist da noch der Prozess um seinen Leibarzt Conrad Murray.
Murray steht wegen fahrlässiger Tötung von Jackson vor Gericht. Wie schätzen Sie seine Rolle in dieser Sache ein?
Ich würde das Vorgehen von Murray als grob fahrlässig bezeichnen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Um das Leben des King of Pop ranken sich die wildesten Gerüchte. Wie haben Sie ihn erlebt?
Als ich ihn 1997 das erste Mal in Kalifornien auf Neverland besuchte, war ich erstaunt, wie unglamourös er sich dort gab. Wenn Michael keinen Besuch hatte, wollte er ganz normal behandelt werden. Wenn er dir dann morgens in der Küche mit seinem blauen Haarnetz auf dem Kopf über den Weg lief, wollte er kein großartiges Hallo, keine Wie-geht-es-dir-Fragen oder Umarmungen. Natürlich war Michael auch merkwürdig, keine Frage. Sein Mega-Ruhm hatte alle Dimensionen verschoben. Er brauchte den Applaus. Nach den Konzerten ist er oft in ein Loch gefallen. Er dachte, die Menschen würden ihn wieder vergessen, wenn er weg ist. Aber ich kann nur sagen, dass er ein absolut liebenswerter Mensch, ein cleverer Geschäftsmann und ein unglaublicher Künstler war. Die Ideen flossen nur so aus ihm heraus.
Wie kam es dann, dass seine Karriere so abstürzte?
Ach, er hatte eine genaue Vorstellung davon, wie es weitergehen sollte. Da gab es konkrete Pläne. Auf jeden Fall wollte er keine große Tour machen und noch mit 50 den Moonwalk tanzen. Die Dokumentation von Martin Bashir, die ihn als Freak darstellte, und die Razzia auf Neverland 2003 haben ihn zerstört. Das hat er nie verkraftet. Aber Michael konnte nicht mit Problemen umgehen, er ist Auseinandersetzungen aus dem Weg gegangen. Das konnte er nicht.
Hätte man ihn davor nicht besser schützen können?
Vielleicht ja. Aber er selber schob solche Dinge gern zur Seite und ließ die Leute dann einfach machen. Da war er sehr naiv.
Wie haben Sie damals von seinem Tod erfahren?
Ein Freund der Familie hat mich angerufen, und nach ein paar Telefonaten war klar, dass es stimmte. Es war schlimm. Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr da ist. Das wird noch eine ganze Weile so sein.
Hauke Herffs