"Wir schauen einen Film an" - mit diesem Satz können sich nicht alle Menschen fürs Kino oder einen DVD-Abend verabreden. Blinden und Sehbehinderten nützt in der Regel die größte Multiplexkino-Leinwand nicht, wenn sie der Handlung in den Bildern nicht folgen können. Seit Mitte der Siebziger Jahre gibt es dafür aber eine Lösung: den Hörfilm, der 1989 sogar beim glamourösen Filmfestivals in Cannes seinen europäischen Einstand feierte. Nur die Sehenden, die kennen ihn bis heute nicht.
Was passiert?

Um einen Film zum Hörfilm zu machen, werden die Dialogpausen mit Beschreibungen gefüllt. Beschrieben werden Umgebungen, Verhalten, Geschehenisse, Gesprächssituationen. Wer nicht weiß, dass "Harry und Sally" in einem Restaurant sitzen, wird die berühmte Orgasmus-Szene nur halb so lustig finden. Wer die Minen von Moria im "Herrn der Ringe" nicht sehen kann, gruselt sich nicht.
Die Schauspieler, die den zusätzlichen Sprechtext, die so genannte Audiodeskription vornehmen, haben also eine schwere Aufgabe. Und gleichzeitig eine spannende Rückerinnerung. Schauspieler Boris Aljinovic beschreibt es als eine Situation, in der man fast wieder zum ersten Drehbuchlesen zurückversetzt wird. Als man die Anweisungen und das Bildhafte der Szene zunächst auch nur in kargen Sätzen auf dem Papier wiederfand.
Wer ist nominiert?
Viel Platz für die Erklärungen bleibt nicht, und die Atmosphäre des Streifens darf auch nicht leiden. Kein Wunder, dass es nicht unbedingt die bunten actionlastigen Blockbuster sind, die sich als erste als Hörfilm wiederfinden. Das spiegelt auch die Nominiertenliste des Jahres 2010 wieder. Namhafte Produktionen, die auch im regulären Filmgeschäft Preise abgeräumt haben, sind dennoch dabei:
* "Der Vorleser" (2008, Regie: Stephen Daldry)
eingereicht vom Bayerischen Rundfunk
* "Im Winter ein Jahr" (2008, Regie: Caroline Link)
eingereicht von Highlight Communications (Deutschland)
* "Wolke 9" (2008, Regie: Andreas Dresen)
eingereicht von Senator Home Entertainment
* "Krabat" (2008, Regie: Marco Kreuzpaintner)
eingereicht von Twentieth Century Fox Home Entertainment
* "Die Fälscher" (2006, Regie: Stefan Ruzowitzky)
eingereicht vom Zweiten Deutschen Fernsehen
* "Zerrissene Umarmungen" (2009, Regie: Pedro Almodóvar)
eingereicht von Universum Film
* "Vitus" (2006, Regie: Fredi M. Murer)
eingereicht von ARTE
* "Elling" (2001, Regie: Petter Næss)
eingereicht von Degeto Film
* "Tatort: Bluthochzeit" (2009, Regie: Patrick Winczewski)
eingereicht vom Südwestrundfunk
* "Guten Morgen, Herr Grothe" (2007, Regie: Lars Kraume)
eingereicht vom Westdeutschen Rundfunk
* "Der Mann, der Yngve liebte" (2008, Regie: Stian Kristiansen)
eingereicht vom Norddeutschen Rundfunk
* "Hannah und ihre Schwestern" (1986, Regie: Woody Allen)
eingereicht von 3Sat
* "Stärker als die Dunkelheit" (2009, Regie: Stephan Greve)
eingereicht von age of art
Der Publikumspreis

Bei der 8. Deutschen Hörfilmpreis-Verleihung erwartet die Gäste eine besondere Premiere. Erstmals in der Hörfilmpreis-Geschichte wird 2010 ein Publikumspreis verliehen. Bis zum 18. März können Hörfilmfans - egal ob blind, sehbehindert oder sehend - abstimmen, welchen Hörfilm sie besonders gelungen finden.
Alle Filme mit Hörproben zur Auswahl
Hintergrund

Ob ein Film zu einem guten Hörfilm wird, kann im Produktionsablauf nur ein Sehbehinderter entscheiden - er muss beurteilen, ob erverfolgen kann, was gerade wo mit wem geschieht, ob er verschiedenen Handlungsstränge unterscheiden kann und ob er den Film zum Lachen oder zum Weinen findet. Die fertige Audiodeskription wird aufgenommen und dann auf die zweite Filmspur gespeichert - dank Zweikanalton kann dieser Service dann in jedem Haushalt und mit fast jedem Fernseher genutzt werden. Laut Angaben des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes sind in Deutschland rund 145.000 blinde und über 500.000 sehbehinderte Menschen nur so in der Lage, Filme wirklich zu genießen.
Probieren Sie doch einmal aus, wie ein Hörfilm sich anhört: ein Ausschnitt aus dem nominierten Film "Krabat"
Die komplette Bearbeitung eines Films kostet durchschnittlich 4500 bis 5000 Euro - das erscheint nicht viel, und dennoch sind von rund 35000 in Deutschland auf DVD erhältlichen Filmen nur 66 als Hörfilme bearbeitet. Diese Zahlen nannte der Verbands-Geschäftsführer Andreas Bethke im Rahmen der Preisverleihung 2009.
Die Preisverleihung

Der Deutsche Hörfilmpreis wird 2010 zum achten Mal vergeben - in diesem Jahr am 23. März 2010 im Rahmen einer glanzvollen Gala am Potsdamer Platz in Berlin. Ausgezeichnet werden eine Kinoproduktion, eine TV-Produktion und ein Ehrenpreis der Jury. Prominente Schirmherren wie Mario Adorf und Christine Neubauer und Jury-Mitglieder wie Bettina Zimmermann und Saskia Valente machen sich schon lange für den Hörfilmpreis stark und die Gästeliste des Events wird von Jahr zu Jahr beeindruckender.
Bettina Zimmermann schildert ihrem ersten Hörfilmkontakt so: "Sehr intensiv! Ich habe ganz bewusst die Augen geschlossen und habe mir alles genau vorgestellt. Der Film hat etwas ganz eigenes bekommen, hat mich sehr berührt. Man braucht keine Kulisse zu sehen, um die Atmosphäre eines Films mitzubekommen." Beim Hörfilmpreis 2009 bekamen sehende Gäste für die Filmsequenzen eine Brille, die ihnen dabei helfen sollte, die Sehempfindung eines Gehandicapten nachzuempfinden - so konnte sich jeder daran versuchen, einen Film mit den Ohren zu gucken.
In diesem Jahr erwarten die Veranstalter folgende prominente Gäste: Andrea Sawatzki, Karoline Herfurth, David Kross, Bruno Ganz, Christine Neubauer, Götz Otto, Katharina Wackernagel, Ulrike Folkerts, Saskia Valencia, Ulrich Matthes, Annabelle Mandeng, Kerstin Linnartz und Klaus Wowereit.
>> www.deutscher-hoerfilmpreis.de