Er gilt als gefährlich.
Bereits eine falsche Frage, heißt es, könne bei Helmut Berger einen Tobsuchtsanfall auslösen. Und seine Aufmerksamkeitsspanne sei heute deutlich kürzer als die Koks-Linien, die er früher so gern zog. Ernst zu nehmende Hinweise - denkt man an Bergers Auftritt bei Markus Lanz vergangene Woche ... Doch beim Treffen im Salzburger "Hotel Sacher" glänzt die österreichische Schauspiel-Legende ("Ludwig II.") mit perfektem Charme. Ein erstes Bier wird bestellt, die erste Marlboro Light angezündet - unterdes blättert Helmut Berger in der mitgebrachten "Gala Men" mit dem 007-Special auf dem Titel.
Wäre James Bond eine Rolle für Sie gewesen?
Nä. Ich bin kein Actionschauspieler, weißt du, ich spiele lieber richtige Rollen, bei denen man nachdenken muss. Nicht so paff, paff, paff. Ich bin eher wie Romy Schneider.
War sie eine Seelenverwandte?
Auf jeden Fall. Als sie in Paris lebte, haben wir uns jeden Tag gesehen. Sie hat mir Ratschläge gegeben, wie ich mit großen Regisseuren umgehen soll: diszipliniert sein, sich gut vorbereiten. Und pünktlich sein. Was sehr schwierig für mich ist, denn ich bin ja eigentlich Römer.

Jetzt erscheint ein Bildband über Ihr Leben. Wenn Sie das Buch durchblättern, welches Gefühl überwiegt - die Freude, so viel erlebt zu haben, oder der Schmerz, dass alles vorbei ist?
"Je ne regrette rien", steht auf dem ersten Blatterl, das sagt alles. Meine Mutter hat mich im richtigen Jahr geboren, 1943. Heute gibt’s kein Dolce Vita mehr. Ich habe genau die richtige Zeit erwischt.
Sie leben nicht mehr in Rom, sondern seit fast zehn Jahren wieder in Salzburg. Gefällt es Ihnen nach dem glamourösen Jetset-Leben überhaupt hier?
Im Alter finde ich die Stadt sehr angenehm, denn hier gibt’s keinen Trubel. Und ich werde nicht verführt, auf Partys zu gehen. Früher war ich viel mit Eliette von Karajan unterwegs, und mit Sophie von Walderdorff. Komischerweise geht mir das jetzt ein bisserl auf die Nerven. Immer die gleichen Gespräche über die Salzburger Society, langweilig. Und ich muss, wenn ich mit denen zusammen bin, zum Rauchen rausgehen. Wenn die Festspiele beginnen, verschwinde ich sowieso. Zu viel Trubel.
Sie haben Ludwig II. großartig verkörpert. Auch ein Seelenverwandter?
Nein. Ich bin ein Nachtmensch wie er, das ist das Einzige, was wir gemeinsam haben. Den Film schau ich mir aber fast nie an. Ich bin ein schlechtes Publikum, sehr kritisch mir selbst gegenüber. Ich denke dann: Das war ein Scheißtag, das hätte ich besser machen können. Oder: Da hab ich wohl meine Tage gehabt.

Ihre Tage?
Ich meine: meine schlechten Tage. Wenn du eine ganze Nacht durchgemacht hast, bist du einfach nicht konzentriert.
Sie haben kaum was ausgelassen, wie Sie auch in Ihrem Buch erzählen. Welche Erfahrung würden Sie heute noch gern machen?
Nix mehr. Ich hab alles erlebt. Ich fühl mich auch nicht wie Helmut Berger, der bin ich nicht. Das ist ein Künstlername. Ich heiße Helmut Steinberger. Und der werde ich bleiben, bis ich tot bin.
Helmut Steinberger hießen Sie auch noch, als Sie am Anfang Ihrer Beziehung mit Luchino Visconti nach Griechenland flogen. Im Bildband gibt’s wunderbare Fotos von dieser Reise.
Das war auf Mykonos. Die Insel war aber nicht das, was sie heute ist. Nichts los, bah. Visconti wollte unbedingt eine Kulturreise mit mir machen. Das hat mir vielleicht gestunken. Swinging London, da wollte ich viel lieber hin.
Die Fotos in Ihrem Bildband zeigen, wie fantastisch Sie damals aussahen.
Das wusste ich ja nicht.
Das merkt man doch!
Ich nicht. Das klingt jetzt etwas altmodisch, aber so war ich. In den zwölf Jahren mit Luchino Visconti war ich treu.
Aber Sie waren doch zeitgleich mit dem Model Marisa Berenson zusammen?
Klar, ich bin ja bisexuell. Das ist kein Problem.

Liebt man nicht eine Person mehr als die andere?
Mir ging’s nicht so. In meinen Beziehungen zu Männern habe ich aber mehr gelernt. Wie man richtig am Tisch sitzt, und die ganzen Sprachen.
Mit wem lebt es sich besser, Mann oder Frau?
Patchwork! Zu dritt, das war fantastisch. Jeder hatte seine Aufgabe.
Was war Ihr Part?
Hm, ich war der Schiedsrichter, wenn sich die beiden doch mal in die Haare bekamen. Die Marisa wollte mich übrigens heiraten, der Visconti fand das auch gut. Da habe ich aber gleich gesagt, das geht nicht. Sie war ja ein Model. Nicht wie die Heidi Klum, sondern ein richtiges Top-Model. Sie lebte in New York, ich in Italien. Was hätten wir mit einem Kind gemacht? Ich bin selbst im Internat aufgewachsen und finde, ein Kind braucht einen Vater und eine Mutter.

Aber Heiraten bedeutet ja nicht gleich, Kinder zu bekommen.
Ich finde schon. Das gehört dazu.
Hätten Sie gern Kinder gehabt?
Ja. Aber nicht mit ihr.
Luchino Visconti starb 1976. Glauben Sie, dass Sie sich irgendwann wiedersehen?
Nein. Ich kommuniziere heute viel mehr mit meiner Mutter, die vor ein paar Jahren gestorben ist. Sie fehlt mir sehr: Tagsüber ist alles gut, aber abends kommt manchmal meine Depression.
Hat Ihre Mutter früher gesagt: Ach Bub, treib’s doch nicht so wild? Oder war sie zufrieden mit Ihrem Leben?
Sie hat mich immer unterstützt. Ich habe mich ja über Nacht davongemacht, weil ich mich mit meinem Vater überhaupt nicht verstanden habe. Er hat mich immer nur geschlagen. Heute würde er dafür im Gefängnis sitzen. Meine Mutter hat mich gegen ihn verteidigt. Danach hab ich mich halt so durchgewurschtelt.
Bis Sie Luchino Visconti getroffen haben. Wusste er gleich, dass Sie sein Typ waren?
Aber wie! Sein bisheriger Lover, auch ein sehr Fescher, ist sofort bei ihm rausgeflogen, und ich fuhr dann mit seinem Maserati vor. Haha. Ich wusste, was ich wollte.
Hatten Sie sich auch gleich in ihn verguckt?
Das hat sich entwickelt, das geht bei mir nicht so zack, zack. Bei ihm habe ich jedenfalls alles gefunden, was ich wollte. Ich musste an seiner Seite nicht um Rollen betteln, er hat die Drehbücher für mich geschrieben. Und er war stinkreich.
Was haben Sie ihm gegeben?
Meine große, wahre Freundschaft. Und ich habe immer gemacht, was er wollte. Na ja, nachts hab ich mich manchmal durch die Hintertür nach draußen geschlichen, ich hatte extra den Schlüssel für den Hintereingang gebunkert. Als ich danach den ganzen Tag schlief, dachte er anfangs, ich sei krank, und er schickte mich zu einem Psychoanalytiker. Später hat er genau gewusst, was ich so treibe. Aber er hat nie was gesagt.

Sein Tod hat Sie in eine tiefe Krise gestürzt, Sie wollten sich umbringen. Sind Sie froh, dass Sie überlebt haben?
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Selbstverständlich. Ich hatte zuerst ganz viel getrunken, gluckgluckgluck, und dann Tabletten gekommen. Meine Haushälterin Maria sollte eigentlich erst um 17 Uhr kommen, schaute aber zufällig schon um zehn Uhr vorbei und rettete mich. Ich bin ihr sehr dankbar, telefoniere heute noch ständig mit ihr.
Viele Ihrer Freunde sind bereits verstorben. Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nä. Ich hätte aber gern, dass mir ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Das ist doch toll! Bamm, weg bist du. Dabei fällt mir ein, ich muss mir dringend eine neue Matratze kaufen. Meine ist zu weich, da kriege ich Rücken.
Würden Sie sich heute als glücklich bezeichnen?
Ich weiß nicht, was Glück heißt. Ich habe keine Wünsche, mir geht’s gut. Ich würde sagen: Ich bin zufrieden. Das ist doch schon was.
Martina Ochs