Wie will dieser Mann in Zukunft eigentlich die Zeit finden, auch als Designer weiter die Damenwelt zu beglücken? Guido Maria Kretschmer, 48, ist die neue TV-Allzweckwaffe – in gleich vier Formaten kann man ihn demnächst sehen. Der "Shopping Queen" (Vox) bleibt er entgegen anderslautenden Meldungen bis 2014 treu. Ab Herbst 2013 sitzt er mit Dieter Bohlen und Bruce Darnell in der Jury der RTL-Castingshow "Das Supertalent". "Die schönste Frau Deutschlands" sucht er ebenfalls für RTL – hier geht es um innere Werte, wie er betont. Und zu guter Letzt sei noch eine "weltweit laufende Fashion-Show mit internationalen Top- Designern" angedacht. Von Kretschmers Charme wollen offensichtlich alle profitieren…
Herr Kretschmer, warum ausgerechnet "Das Supertalent"?
Weil ich es toll finde, wenn No-Names einmal in ihrem Leben die große Chance bekommen, vor Millionen Menschen zu sagen: "Hallo, es gibt mich, und ich bin begabt!" Ich habe mit neun Jahren meine erste Nähmaschine bekommen und war von ihr schnell extrem angefixt. Wenn meine Eltern Feuerräder unter das Ding montiert hätten, ich wäre auch in so einer Show aufgetreten.
Und wie kamen Sie in die US-Model-Casting-Show "The Face", als Gastjuror neben Naomi Campbell und Karolina Kurkova?
Naomis Mama Valerie steht seit Längerem auf meine Outfits. Eines Tages sagte Naomi: "I love that dress! Who made it?" An ihrem 40. Geburtstag trug sie dann ein Kleid von mir. Heute sind wir befreundet.

Naomi Campbell haftet bis heute das Image einer Furie an …
Wenn sie sich über etwas ärgert, sollte man in Deckung gehen, dann kann sie tatsächlich super bitchy werden. In solchen Momenten umweht Naomi ein Eishauch, dass es dich fröstelt … Zu mir war sie bisher aber immer sehr lieb. Wenn sie mit mir spricht, fixiert sie mich mit ihren Raubkatzenaugen und ist zu 150 Prozent bei mir.
Warum starten Sie gerade jetzt so geballt im Fernsehen durch?
Abgehoben auf dem Mode-Olymp zu sitzen, das ist nichts für mich. Ich bin ein Junge aus dem Volk, will greifbar sein. Und ich glaube viel mehr an Democratic Couture als an Haute Couture. Außerdem: Jetzt ist die Zeit reif dafür. Ich habe Haus, Kiesweg, finanzielle Sicherheit. Ich bin als Designer eigenfinanziert, unabhängig und frei.
Überkommen Sie manchmal Ängste, dass der Erfolg irgendwann vorbei sein könnte?
Ich habe so viel Arbeit, dass ich mir darüber gar keine Gedanken mache. Ich arbeite von morgens bis abends. Ich bin eine textile Buschnutte. (lacht)
Wie bitte?
Ich war mal in der Karibik. Von einer Bar aus konnte ich eine Dame für einen längeren Zeitraum beobachten – die hat einen Freier nach dem anderen bedient. Da dachte ich schmunzelnd bei mir: Irgendwie hat das Parallelen zur Fashion-Welt. Du musst lange auf der Straße stehen, bis du endlich ein Edel-Escort bist. (lacht)
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass manche Mode-Experten in Deutschland Sie offenbar nicht richtig ernst nehmen?
Ich bin meinen Weg alleine gegangen. Ich wurde nicht von den angeblichen Entscheidern der Fashion-Szene gefördert und habe für die auch nie Männchen gemacht. Außerdem habe ich ein Frauenbild, das ihnen nicht so in den Kram passt.
Was meinen Sie damit?
Nur so viel: In vielen Mode-Redaktionen hungern sich die armen Mädels doch fast zu Tode, weil so manche Chefredakteurin damit droht, dass sie ab Kleidergröße 38 rausfliegen. So geht’s ja nun wirklich nicht!
Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben aus, wenn Sie mal keine Termine haben?
Dann lasse ich mich von meinem Mann Frank verwöhnen: Er liest mir vor und bekocht mich. Ansonsten gammle ich zu Hause rum und gebe den Textilverweigerer. Meist trage ich dann nur Decken um die Hüfte und die Schulter. Frank sagte mal: "Guido, wenn die Leute jemals sehen, wie schluffig du zu Hause herumläufst, dann schalten die nie mehr 'Shopping Queen' ein." (lacht)

Der Ruhepol in Kretschmers Leben ist der Maler Frank Mutters, den er 2012 nach 27 Jahren Beziehung heiratete. Als Designer begann Guido Maria Kretschmer mit Unternehmens-Outfits, doch längst sind auch große Roben sein Thema.
Was sagt Ihr Mann dazu, dass Sie immer mehr zu tun haben?
Er kennt es gar nicht anders und ist deshalb tiefenentspannt. Ich bin schon immer permanent in der Weltgeschichte herumgedüst. Außerdem ist Frank ja Künstler, und intellektuelle Männer können sich wunderbar mit sich selbst beschäftigen. Wenn wir uns tatsächlich mal vier Wochen lang am Stück nicht sehen, gibt es ja immer noch das Telefon. In 28 Jahren unserer Liebe ist er der erste Mensch, mit dem ich morgens spreche, und am Abend der letzte.
Sind Sie dafür, dass schwule Paare Kinder adoptieren dürfen?
Absolut! Was gehört denn dazu, Kinder großzuziehen? Du musst sie über alles lieben, immer gut auf sie aufpassen und sie auf das Leben da draußen vorbereiten. Und du musst den absoluten Willen haben, ihnen deine Zeit zu schenken. Warum sollte dieses Recht zwei sich liebenden Frauen oder Männern verwehrt bleiben? Hoffentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit.
War es für Ihre Eltern okay, dass Sie schon als Kind permanent mit Stoffen rumhantiert und stundenlang an der Nähmaschine gesessen haben?
Sie hatten auch kein Problem damit, dass ich Milch am liebsten aus einem Champagnerglas getrunken habe. Meine Eltern zählen zu den tolerantesten Menschen, die ich kenne. Es war nie ein Deal für sie, dass ich schwul bin. Sie sind zwei Freigeister, ganz ohne Altlasten und sehr emotional.
Ihre Kindheit war rundum glücklich?
Wie in Bullerbü! Ich bin in einer Großfamilie inklusive Oma und Opa aufgewachsen. Mit Tieren, viel Freiheit und Fantasie und dörflicher Idylle. Alles sehr hippie-like. Meine Eltern haben nie etwas von mir erwartet und mir fast alles erlaubt. Sie haben sehr früh verstanden, dass sie mich nur dann halten, wenn sie mich gehen lassen. Fast zu schön, um wahr zu sein! Ich weiß – vor allem wenn ich von Freunden höre, was die zu Hause zuweilen Heftiges erlebt haben. Bei uns wurde nie geschlagen, geschrien oder geschimpft. Papa hat mir kleine Gedichte auf meine Schulpausen-Banane geschrieben. Oder sich als Osterhase verkleidet. Meine Eltern haben mich und meine vier Geschwister ständig geküsst und gestreichelt. Ich bin vollgetankt mit Liebe.