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LGBTQIA+-Model GNTM-Aminata: "Queerness bedeutet, sich selbst auszudrücken"

GNTM-Model Aminata Sanogo steht zu ihrer Queerness
GNTM-Model Aminata Sanogo steht zu ihrer Queerness.
© MODELWERK
GNTM-Teilnehmerin Aminata Sanogo lebt ihre Queerness aus. Dabei ist ihr völlig egal, was andere davon halten.

GNTM-Kandidatin Aminata Sanogo wurde durch ihren Auftritt im Jahr 2014 in der Pro7-Sendung bekannt. Inzwischen hat sie sich eine Karriere als gefragtes und international bekanntes Fotomodel aufgebaut und ist für viele junge, Schwarze – und queere – Menschen ein Vorbild. Dabei musste sie selbst erst einmal erfahren, was es wirklich bedeutet, queer zu sein und sich von toxischen Beziehungen in ihrem Leben zu befreien. Im Interview mit GALA spricht sie darüber, was das Modeln für sie bedeutet, über die Höhen und Tiefen ihrer Beziehung mit einer Frau und warum es ihr egal ist, was andere Menschen von ihrer Queerness halten.

Aminata Sanogo im GALA-Interview

GALA: "If you knew my whole story, you’d be proud of me" (zu Deutsch: “Wenn du meine ganze Geschichte kennen würdest, wärst du stolz auf mich”). Damit unterlegen Sie einen Ihrer Posts auf Instagram. Was ist denn Ihre Geschichte? 

Aminata Sanogo: Es gibt viel zu viel, das könnte ich nie bei einem einzigen Gespräch erzählen. Ich habe zum Beispiel im Heim gelebt. Ich habe sehr, sehr viele schlimme Dinge erlebt und durchmachen müssen, ich war obdachlos und hoch verschuldet. Das war übrigens nach GNTM, also in einer Zeit, in der sicher viele Menschen dachten, dass es mir sehr gut gehen müsse. Das war tatsächlich die Phase, in der es mir am schlimmsten ging. Ich hatte auch eine sehr komplizierte Beziehung, die über drei Jahre ging, ich bin für ein paar Jahre aus Deutschland weggezogen. Es ist also sehr, sehr viel passiert in meinem Leben.

Das klingt so. Doch inzwischen haben Sie eine sehr erfolgreiche Karriere als Model aufbauen können. Was bedeutet für Sie der Beruf?

Das Modeln bedeutet für mich, dass ich sein kann, was und wer ich sein möchte. Ich habe einfach eine gottgegebene Verbindung mit der Kamera. [lacht] Ich fühle mich sehr frei und liebe es, mit der Kamera zu spielen und sie hilft mir dabei, meine Tausenden Persönlichkeiten, die ich selbst nicht immer unter Kontrolle habe, frei herauszulassen.

Der Beruf bedeutet für mich, mich auszudrücken, ganz wie ich will, ganz authentisch, so wie ich es für mich empfinde.

Außerdem gibt mir der Beruf und die damit verbundene Bekanntheit die Möglichkeit, meine Stimme zu nutzen, um anderen Frauen und Mädchen mit meinen Erfahrungen helfen zu können.

Sie erwähnten eine schwierige, langjährige Beziehung. Kann man auch eine Menge aus einer – wie sie heutzutage eher gelabelt wird – "toxischen Beziehung" mitnehmen und lernen, was man für die Zukunft nicht mehr erleben möchte?

Absolut. Es gibt so vieles, was ich nie wieder machen würde. Ich hatte damals die Eigenschaft, toxische Menschen anzuziehen. Ich glaube, das liegt daran, dass ich selbst viel durchgemacht und dadurch ein Helfersyndrom entwickelt habe. Wenn ich jemanden sehe, dem es psychisch nicht gut geht oder der eine schwierige Vergangenheit hat, dann habe ich das Gefühl, dieser Person helfen zu müssen. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass ich nicht mit der Person zusammen sein muss, um ihr helfen zu können. Und dass es oftmals auch einfach nicht passt, charakterlich oder vom Timing her.

"Ich verliebe mich in den Menschen"

Inzwischen sind Sie mit einer Frau zusammen. Welche Herausforderungen haben Sie gemeinsam mit Ihrer Freundin als queeres Paar?

Ich würde sagen, unsere Herausforderungen kommen vor allem dadurch, dass ich bisexuell bin und sie lesbisch. Ihre letzte zehnjährige Beziehung war ebenfalls mit einer bisexuellen Partnerin und das war wohl nicht immer sehr einfach. 

Wie zeigt sich das in der jetzigen Beziehung?

Ich glaube, es gibt die große Angst ihrerseits, dass ich sie vielleicht für einen Mann verlassen könnte. Ich könnte mir zum Beispiel auch Kinder mit einer Frau vorstellen, aber tatsächlich habe ich immer noch das Bild vor Augen, mit einem Mann ein Kind zu haben – mehr zumindest als mit einer Frau. Noch dazu ist sie durch und durch ein Beziehungsmensch und ich bin da etwas "freier".

Es fällt mir schwer, mein Herz komplett an eine Person zu vergeben – dabei ist es übrigens vollkommen egal, ob diese Person eine Frau oder ein Mann ist. Ich verliebe mich in den Menschen, habe aber meine Probleme damit, mein Herz vollkommen einem einzelnen Menschen zu geben.

Reden Sie denn mit Ihrer Freundin über andere Beziehungsmodelle? Es gibt über die monogame Beziehung hinaus ja auch offene oder polyamore Beziehungsmodelle, die Ihnen vielleicht mehr entsprechen.

Zunächst muss ich sagen, dass wir eine wirklich wunderbare Art der Kommunikation haben. Wir können über alles reden, wir hören uns zu, wir sind offen für die andere Person und alles, was sie mit sich bringt. Wir sind aber auch erst seit fünf Monaten ein Paar. Ich glaube, meine Freundin möchte erst einmal, dass sich unsere Beziehung zueinander festigt, bevor wir solche Schritte wie ein anderes Beziehungsmodell überhaupt eingehen. Sie ist nicht komplett abgeneigt, aber ich muss zugeben, dass ich selbst so meine Probleme mit der Vorstellung hätte.

Ich bin ein Mensch, der Sex und Gefühle ganz klar voneinander trennen kann und nichts tun würde, was für die Partnerin ein Tabu wäre. Und obwohl ich selbst eigentlich so frei bin, gab es eine Situation, bei der ich selbst zu mir dachte: "Ami, ist das eigentlich dein Ernst?" [lacht] Wir waren zusammen Fahrrad fahren und ich habe mich so aufgeregt, als ich bemerkte, dass ihre Strumpfhose ein bisschen durchsichtig war. Und da merkte ich, dass ich, wenn ich wirklich verliebt in eine Person bin, schon meine Probleme damit habe, sie mit anderen Menschen zu "teilen". Es sei denn, das ist mit der Person abgesprochen, aber da müssen wirklich viele Details stimmen.

"Ich nenne es meine 'Zero F*cks'-Persönlichkeit"

Wie definieren Sie persönlich eigentlich Queerness für sich?

Das ist sehr lustig, denn das Wort habe ich in seiner Tiefe erst vor kurzem wirklich für mich entdeckt. Ich glaube, ich war schon mein Leben lang queer. Für meine islamische Familie ist Queerness ein Tabu. Wenn darüber gesprochen wird, dann herablassend und sehr negativ, was ich schon damals nicht verstanden habe.

Als ich nach Deutschland kam, habe ich mich nicht wirklich damit beschäftigt, aber meine erste Beziehung hatte ich mit 14, und zwar mit einem Mädchen. Das habe ich dann später aber einfach verdrängt und hatte mit 17 etwas mit einem Jungen, aber eigentlich auch nur, um dazuzugehören. Ich hatte und habe allerdings viele schwule und lesbische Freund:innen und bin in einem sehr vielfältigen Umfeld aufgewachsen.

Inzwischen beschreibe ich Queerness einfach so: der Mensch zu sein, der du sein willst. Es gibt dabei kein gerade, kein links oder rechts. Es geht darum, sich selbst auszudrücken, als die Person, als die man sich fühlt und die man ist. Durch und durch.

Nicht jeder Mensch hat das Privileg, dieses Gefühl auch ausleben zu können. Auch bei Ihrer Familie war Queerness demnach wohl ein schweres Theme?

Absolut. Meine Eltern wissen es zum Beispiel gar nicht, zumindest mein Vater nicht. Meine Mutter weiß es, das glaube ich zumindest. Einmal meinte sie zu mir am Telefon: "Ami, ich möchte dir nicht zu nahetreten, aber ich merke, dass du nicht so interessiert an Männern bist." Das hat sie damals ganz vorsichtig ausgedrückt und betont, wie stolz es sie machen würde, wenn ich ihr Enkelkinder schenken würde. Dazu habe ich ehrlich gesagt nicht viel gesagt und das Ganze offengelassen.

Vor zwei Jahren hatte ich mich in die Mitbewohnerin meines Bruders verliebt, der bei dem Thema so gar nicht offen ist. Zumindest, wenn es um seine Schwester geht, da ist ihm das Ganze unangenehm. Die Beziehung mit seiner Mitbewohnerin ging über ein Jahr und als er davon erfuhr, wurde er sehr aggressiv und sie ist ausgezogen, hat danach sogar die Stadt verlassen. Er kennt meine aktuelle Freundin, weiß aber nicht offiziell, dass wir zusammen sind. Mir ist das aber auch egal, was er davon hält, er muss selbst schauen, wie er damit klarkommt. 

Hierzu passt ein anderes Zitat, das Sie bei einem Instagram-Post verwenden: "Life has never been easy for us, but we are the toughest." (zu Deutsch: "Das Leben war nie einfach für uns, aber wir sind die stärksten.") Sie sind eine queere Person of Color, wie begegnen Ihnen die Menschen auf Social Media?

Ich habe viele queere Follower und die hatte ich auch bereits vor meiner Zeit bei GNTM. Ich weiß nicht, was es ist, aber die Gays lieben mich einfach! [lacht] Immer, wenn ich in eine Schwulenbar gehe, trifft mich eine Welle aus Liebe. Und auf Instagram ist es genauso. Ich erinnere mich an nur eine Nachricht einer Schwarzen Person, die mir schrieb: "Was wird deine Familie denken, wenn sie dich sehen, schämst du dich nicht? Fühlst du dich stolz, dich so zu zeigen?" Sie schrieb noch, dass das gar nicht vorbildlich für unsere Kultur oder die jüngere Generation sei.

Aber so etwas kommt gar nicht an mich heran und ist nichts im Vergleich zu den Tausenden wundervollen Kommentaren und Posts und dem positiven Feedback, das ich darüber hinaus erhalte.

Jeder Mensch, der Hass in sich trägt, geht mich nichts an, damit habe ich nichts zu tun. Punkt.

Aber das ist eine Eigenschaft von mir, die ich immer schon in mir getragen habe, dass Negatives nicht wirklich an mich herankommt, da mache ich auch nicht viel für. Ich nenne es meine "Zero F*cks"-Persönlichkeit. (lacht)

Gala

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