Wwwrooom! Die Luft bebt, sechs Düsenjets donnern plötzlich über den Pool-Bereich des "Atlantis"-Hotels, ziehen eine Schleife über The Palm, die künstliche Inselgruppe vor Dubais Küste. Alle Mädchen schauen nach oben, die ganze Crew. Auch Heidi. Düsenjets? Die stehen doch gar nicht auf dem Drehplan ... Stimmt. Wie sich später herausstellen wird, übt hier gerade eine Fliegerstaffel für eine Fallschirmspringer-Meisterschaft.
Mit dem freien Fall hat Heidi Klum, 39, nichts zu tun, dafür umso mehr mit dem aufrechten Gang. Sie absolviert gerade für die "Topmodel"-Kameras das erste Catwalk-Training mit ihren neuen Kandidatinnen. Am Abend sollen die 25 Mädchen ihre erste Modenschau laufen, eine Kollektion des Designers Amato präsentieren. Am Strand wird schon der Laufsteg aufgebaut. Und schon wieder: Wwwrooom! Die Jets ziehen bunte Kondensstreifen über Dubais Skyline. Wegen des Lärms müssen die Dreharbeiten unterbrochen werden. "Die da oben haben wir nur für euch bestellt", sagt Heidi lächelnd. Sie bekommt von einem Assistenten ("Obey" steht auf seinem Baseballcap, auf Deutsch: "Gehorche") einen Cappuccino in die Hand gedrückt. Sie nippt daran. Sofort sind ihr Stylist und ihre Make-up-Frau an ihrer Seite. Pudern das Gesicht ab, richten die Haare. Heidi nippt wieder ...

Kaffee, Kaffee, Kaffee: Fast jeder am "Topmodel"-Set trinkt viel davon. Die vergangene Nacht war kurz und unruhig. Denn vor 24 Stunden war man noch am anderen Ende der Welt: Nach dem ersten Drehtag im Kurhaus von Wiesbaden sind die 25 Mädchen und das Team nachts von Frankfurt nach Dubai geflogen. Ankunft am frühen Morgen, danach gleich zum Hotel. Vorbereitung, Besprechung, Anprobe, dann ab mittags der Dreh. Drückend heiß ist es unter der arabischen Sonne, obwohl die Ventilatoren des Cafés auf höchster Stufe kurbeln. Wiesbaden war deutlich kälter. Dort mussten die Kandidatinnen auf den Treppen des Kurhauses im Schneegestöber in leichter Abendgarderobe posieren.
Nach 20 Minuten geht es am Pool weiter. "Okey-dokey!", ruft Heidi. In Sechsergruppen arbeitet sie mit den Mädchen. Lässt sie laufen, verbessert, ermuntert, kritisiert, macht Smalltalk. "Nicht so schüchtern!" Oder: "Zeig mal, wie arrogant du aussehen kannst", "Habt ihr zu Hause etwa schon geübt?", "Die Füße voreinander setzen! Ich kann ja einen Fußball durch deine Beine durchschießen", "Knote mal das T-Shirt hoch". Der Großteil hat den "richtigen Schwung", wie Heidi es nennt, noch nicht drauf. Ist zu zappelig, zu verspielt, hält sich schief. Und dann schlendern immer wieder Hotelgäste in Badeklamotten durchs Bild, bleiben stehen, gucken erstaunt. Ist das nicht ...?

Heidi ist trotz der Verzögerungen am Ende zuversichtlich: "Es gab ja schon Modenschauen, für die wir uns etwas schämen mussten, aber das wird heute Abend schon laufen." Sie streicht ihr Haar zurück, isst ein paar Früchte. Der Assistent bringt einen weiteren Cappuccino.
20.30 Uhr. Kurz vor dem Start der Schau. Es wird ernst. Am Strand hat sich mittlerweile der lokale Jetset eingefunden: Botschaftergattinnen, Mode-Blogger, einheimische Geschäftsleute. Dubais Skyline leuchtet in der Nacht. Hinter der Bühne wuselt Designer Amato, ein kleiner Philippiner mit orange gefärbten Haaren, mit seinem Team herum. Heidi und er arbeiten schon seit Jahren zusammen. "Wir waren ziemlich im Zeitverzug heute, aber ich bin mit den Models zufrieden", sagt er zu "Gala" und wedelt sich mit einem Fächer Luft zu. "Die Mädchen geben sich viel Mühe, wollen etwas lernen."

Heidis Co-Juroren sind nun ebenfalls da: Artdirector Thomas Hayo und Fotograf Enrique Badulescu, der Neue in der Truppe. Hayo war auch in Wiesbaden, dort musste ihm das Produktionsteam Wärmepads in die Stiefel packen. Badulescu trägt Stirnband ("Mein Markenzeichen!") und ist heute erst dazugekommen. Der Mexikaner, der für eine längere Zeit in Deutschland lebte, bringt eine ordentliche Portion Humor mit an den Set: "Ich will, dass wir Spaß haben. Das Leben ist doch ernst genug. Es wird eine Gaudi!", sagt er und lacht.
Eine halbe Stunde später startet die Modenschau. Zu wummernden Beats marschieren Heidis Nachwuchsmodels in ihren aufwendigen Abendkleidern über den Catwalk. Keine leichte Angelegenheit. Die Roben sind eng und lang, die Absätze hoch. Natürlich gibt es den einen oder anderen Patzer ... Heidi und Amato kommen zum Abschluss auf die Bühne. Verneigen sich. Die Zuschauer applaudieren. Der Abend wird aber noch lang. Erst um Mitternacht kann das Team die erste Juryentscheidung drehen: Bis die 25 Kandidatinnen abgeschminkt und umgezogen sind, dauert es seine Zeit. Die Gäste sind weg, die Stuhlreihen leer. Heidi findet lobende Worte für den ersten Großeinsatz ihrer Mädchen. Die freuen sich - doch es gibt auch Tränen.
Und dann bekommt der lange Tag noch einen knalligen Schlusspunkt. Auf einmal schießen an der gegenüberliegenden Seite der Bucht Raketen in die Luft. Ein anderes Nobelhotel brennt offenbar für seine Gäste ein gigantisches Feuerwerk ab. Minutenlang rumst, blitzt und knallt es. Wunderbare Bilder! Und diesmal ganz ohne Drehplan.