Mit der Datenplattform "WikiLeaks" sollte man sich einfach nicht anlegen. Diese bitterere Erfahrung mussten nun auch die Macher des Spielfilms "The Fifth Estate" machen. Einen Monat vor dem offiziellen Kinostart des umstrittenen Films über die Geschichte der Internet- Enthüllungsplattform hat WikiLeaks das komplette Drehbuch des Dramas "geleakt".
Auf ihrem Twitter-Account kann seit Mittwochabend (18. September) jeder das Filmscript einsehen. Und damit nicht genug: in einem Memo aus viertausend Wörtern haben sich die Mitarbeiter der Plattform die Mühe gemacht, das Werk kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das Resultat fällt ernüchternd aus: die Punkt-für Punkt-Analyse lässt kein gutes Haar an dem Konzept von Regisseur Bill Condon. "Da WikiLeaks niemals von Dreamworks / Disney-Film um Rat gefragt worden ist, stellen wir unsere Beratung nun kostenlos zur Verfügung", lautet der provokante Tweed von WikiLeaks am Mittwoch.
Die herbe Angriff auf den Film war fast zu erwarten. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des ersten Trailers im Juli hatte die Enthüllungsplattform via Twitter zum Boykott des Spielfilmes aufgerufen. Julian Assange selbst verweigerte jede Zusammenarbeit mit den Filmemachern, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte. Der Film sei ein "massiven Propaganda-Angriff" auf WikiLeaks, berichtete Assange der britischen Zeitschrift "Guardian" Anfang des Jahres.
Mit "The Fifth Estate" wollte Regisseur Bill Condon ("Twilight") einen Film schaffen, der den Mythos um den egomanischen WikiLeaks-Gründer Assange enthüllt. Dass dieser sich angesichts der Darstellung seiner Person in heftiger Kritik übt, wird bereits nach wenigen Minuten des Films verständlich. Schon die erste Szene zeigt Assange als arroganten Firmen-Chef, der narzisstisch und selbstgefällig, nach Erfolg lechzt.
Julian Assange ist Mitbegründer der Plattform WikiLeaks. Seit der Veröffentlichung interner Dokumente der US-Behörden zu den Kriegen in Afghanistan im Jahr 2010 droht dem 41-Jährigen in den USA ein Strafprozess. Um diesem zu entgehen flüchtete er im Juni 2012 in die ecuadorianische Botschaft, wo ihm seit August 2012 politisches Asyl gewährt wird.
Gespielt wird der weißhaarige Aktivist von Hollywood-Star Benedict Cumberbatch ("Sherlock"). In der zweiten Hauptrolle ist der deutsche Schauspieler Daniel Brühl zu sehen. Er spielt den späteren Sprechers Assanges, Daniel Domscheit-Berg. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Josh Singer und basiert auf den Büchern "Wikileaks: Julian Assanges Krieg gegen Geheimhaltung" der "Guardian"-Reporter David Leigh und Luke Harding sowie "Inside Wikileaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt" des ehemaligen Assange-Intimus Daniel Domscheit-Berg.
Wie die Filmemacher weiterhin mit den Angriffen seitens WikiLeaks umgehen, bleibt abzuwarten. Gerüchten zufolge, soll bereits die erste Pressevorführung des Films, die am 06. September im Rahmen des diesjährigen Filmfestivals in Toronto stattfand, wegen der Kritiken vom Vormittag auf den Abend verschoben worden sein.
Bis zum deutschen Filmstart am 31. Oktober bleibt es also spannend.