Es ist eins der Märchen, die nicht in jedem Kinderzimmer gelesen werden: Wilhelm Hauffs Mär vom armen Köhlerjungen Peter, der dem Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes sein Herz opfert und erkennen muss, dass Geld allein nicht glücklich macht, gehört zu den eher düsteren Kapiteln in jedem Märchenbuch. Auch deswegen sind daraus aber schon nachhaltig beeindruckende Filme gemacht worden. Was hab ich mich als Kind gegruselt, wenn die 1950er DEFA-Variante im Fernsehen lief! Wenige Märchenfilme sind mir von der Stimmung her, nicht Szene für Szene, so nachhaltig im Gedächtnis geblieben.
Am Anfang steht die Stimmung
Von daher muss der Anspruch an die Neuverfilmung, oder lieber Neuinterpretation, wie Regisseur Johannes Naber es gedeutet haben will, groß sein. Und der Einstieg in einen nebelwabernden Schwarzwald, einen tätowierten Naturgeist und einen Verfluchten, der gerade sein zuckendes Herz verliert spricht schon dafür, dass hier ordentlich trübe, gespenstische Stimmung gemacht werden soll.
Die Geschichte
Glaubwürdig ersteht eine Dorfgemeinschaft vor den Augen des Zuschauers, die viele Klassen kennt und zumindest den unteren davon, den Obdachlosen, Tagelöhner, Köhlern, nicht viel zu bieten hat - Überleben ist da das Ziel. Hoffen, Träumen, tanzen - das soll den Glashüttenbesitzern, Holzfällern, Flößern und Händelern vorbehalten sein, die die Regeln machen und - weil sie die Gegend nach außen repräsentieren - das Geld verdienen.

Der Köhlerjunge Peter Munk (Frederick Lau) allerdings will aus diesen starren Kategorien ausbrechen, er will lernen, nicht den Beruf des Vaters übernehmen und er will Lisbeth (Henriette Confurius)´, die Tochter des Glashüttenbesitzers Löbl, als Liebste - die Tanzkönigin des Dorfes. Doch er bezahlt einen hohen Preis für seine Rebellion: Sein Vater stirbt. Und der verzweifelte Junge macht sich auf ins Sagenhafte und sucht die Hilfe der Geistergestalten Glasmännlein (Milan Peschel) und später auch Holländer Michel (Moritz Bleibtreu). Doch auch deren Hilfe wird ihn teuer zu stehen kommen ... die Wünsche, die er gegenüber dem Glasmännchen geäußert hat, waren nicht gut bedacht und bringen ihn in eine missliche Lage, und der Erfolg, den ihm der gruselige Michel beschert, der kostet Peter Menschlichkeit, Witz und alles, was sein Umfeld und insbesondere Lisbeth an ihm liebten und schätzten. Er wird zum Ekel unter Ekeln und zum Abbild der Dorfelite. Unumkehrbar?
Die Darsteller
Frederick Lau und Henriette Confurius geben ein zauberhaftes Paar ab und Lau macht sowohl im zerrissenen Kittel wie auch im schicken Zwirn eine gute Figur, er passt gut in dieses altmodische Setting. Hervorzuheben ist allerdings die Darbietung von Moritz Bleibtreu, der an seiner Rolle als hämischer, lockender, schmutziger Holländer-Michel einen diebischen Spaß zu haben scheint. Da stört es nicht, dass er - anders als in der alten Illusionszauberei - nicht mal zwei Meter und schon gar nicht baumgroß ist.
Fazit
Ja, die Stimmung des Films lässt in eine andere, sehr düstere Welt eintauchen. Die Erzählgeschwindigkeit ist angemessen, die Schauspieler gut. Aber ob das reicht, um in den Zuschauern von heute den tiefen Eindruck zu hinterlassen, den der über sechzig Jahre alte Vorgänger machte? (Wer übrigens den DEFA-Film noch einmal anschauen möchte: Hier entlang ... )
Nein. Nicht bei mir jedenfalls. Dafür ist das Ganze dann doch irgendwie nicht entschlossen genug: Da sind am Anfang die arg bemalten, an Aborigines erinnernden Naturgeister, die von ihrer alten Macht sprechen und nun langsam schwinden wie die Wälder - doch der Geisterglaube taucht im Film mit Ausnahme von wenigen Verweisen einfach nicht im Alltag der Bevölkerung auf. So wirkt es wie ein bisschen zeitgemäßer Ökoanstrich.
Der Köhlersjunge verliert zwar sein Herz, liebt aber irgendwie weiter und ist dabei auch immer noch meist passabel nett. Lisbeth liebt und liebt sowieso. Und überhaupt: Die Liebesgeschichte nimmt viel Raum ein. Mehr als in Hauffs Text - liegt es an den hübschen Paar?
Sogar der gut gemachte alte dem Holländer-Michel, der schon so viele Bösewichte traf, schwächelt letztlich, wenn ihm gar so leicht beizukommen ist. So hatte ich zwar 119 Minuten gut gemachte Unterhaltung - aber Angst um mein und anderer Herzen hatte ich nicht.

"Das kalte Herz" läuft ab 20. Oktober 2016 in den deutschen Kinos.