Am Flughafen in Kabul steigt sie in einen gepanzerten Wagen mit schusssicheren Fenstern. Der Fahrer bringt sie zu einer Parfümerie in einem Einkaufszentrum. Laila Hamidi, 39, ist Mitte Februar in ihre alte Heimat gereist, um ihre erste Lippenstiftlinie vorzustellen. Eine mutige Mission. "Business ist in Afghanistan eine reine Männerwelt", sagt sie im GALA- Interview. "Dass eine Frau in positiver Weise im Vordergrund steht und stark auftritt, ist dort eigentlich unakzeptabel. Ich wollte aber ein Zeichen setzen und etwas für die Frauen dort tun.“
"Vielleicht bin ich ein Art Magnet für die guten Menschen"
In ihrer Kindheit hat sie den Krieg miterlebt, mit 15 Jahren kam Hamidi nach Europa. Nach ihrer Hochzeit und der Geburt ihres Sohnes arbeitete sie sich in atemberaubendem Tempo hoch zu Deutschlands begehrtester Stylistin. Ihr Erfolgsgeheimnis? "Vielleicht bin ich eine Art Magnet für die guten Menschen." Prominente wie Liz Mohn, Verona Pooth, Franziska Knuppe und Nazan Eckes vertrauen Hamidis Fashion- und Beauty-Gespür. Für die Afghanin wiederum waren die Stars von Anfang an "Vorbilder, die mich ein Stück auf ihrem Weg mitgenommen haben. Ich kam ja aus einer ganz anderen Welt."
Mehr als 100.000 Follower auf Instagram
So wie sie sich damals an den starken Frauen in Deutschland orientiert hat, ist Laila Hamidi jetzt ein Vorbild für viele Frauen in Afghanistan. Nachdem der TV-Sender BBC Persian über ihre Arbeit in Deutschland berichtete, sei sie zu einer Art Influencerin geworden, erzählt sie. Mehr als 100.000 Menschen folgen ihr bei Instagram, vor allem junge Frauen aus Afghanistan. Ihnen bieten die sozialen Medien die Möglichkeit, einen Blick nach außen zu werfen und sich zu vernetzen. Eine Riesenchance, so Hamidi, die den Menschen in dem islamischen Land Mut machen möchte, ihre Gesellschaft weiterzuentwickeln.
"In Afghanistan geht man immer noch davon aus, dass bei einer Frau mit 25 Jahren die Zeit abgelaufen ist. Typischerweise hat sie mit 15 geheiratet und dann sieben oder acht Kinder bekommen." Glücklich seien nur wenige mit dieser Situation, viele hätten sich aufgegeben. "Als ich jetzt in Kabul war, bin ich ohne Kopftuch im Fernsehen aufgetreten. Ich wollte zeigen: Es geht auch anders!"
"Ich weiß zu hundert Prozent, dass Schönheit von innen kommt"
Ihre Botschaft: "Ich weiß zu hundert Prozent, dass Schönheit von innen kommt. Es ist eine Frage der Einstellung." Und: "Wenn eine Frau mit sich zufrieden ist, dann kann sie etwas bewegen." Mit 20 Jahren habe es ihr noch an Selbstbewusstsein gefehlt, erinnert sich Hamidi. "Ich dachte: Du kommst aus Afghanistan, du bist klein, du bist dunkel. Und die anderen sind groß, blond und haben lange Beine. Also habe ich Schuhe mit Absatz angezogen und Make-up aufgetragen."
Kleider und Schminke können Selbstvertrauen geben
Aber können schöne Kleider und Schminke helfen, Selbstvertrauen aufzubauen und sich besser zu fühlen? Für Laila Hamidi ist die Antwort ein klares Ja. Denn das hat sie bei ihrer Arbeit als Stylistin immer wieder beobachtet. "Wenn ich eine prominente Frau für einen großen Auftritt style, dann ist sie zunächst eine normale Frau wie wir alle, ein bisschen zurückhaltend." Wenn sie aber hinterher im Spiegel sehe, dass alles perfekt sei, dann verändere sich die Frau komplett: "Sie wird gerader, selbstbewusster, mein Gott, sie bekommt eine ganz andere Haltung! Und wenn sie dann auf den roten Teppich geht, dann strahlen ihre Augen - denn sie denkt: Ich bin schön!"