Ihrer Familie, ihrem Agenten, ihrem Filmteam, den Produzenten, der Academy, den anderen Frauen in ihrer Kategorie, ganz einfach allen wollte Jennifer Lawrence danken, als sie jüngst den Oscar als Beste Schauspielerin gewann. Bloß Christian Dior erwähnte sie in ihrer Rede nicht. War auch gar nicht nötig. Für Dior hat es ausgereicht, sie als Gewinnerin in einem Couture-Kleid des Hauses auf der Bühne zu sehen.
Die Oscars gelten als glänzender Investmentfonds für Designer. Die versprechen sich hohe Renditen davon, einen Star für die Verleihung einzukleiden. Ein gelungener Auftritt erspart Millionen Dollar an Werbeausgaben. Die "größte Modenschau der Welt", wie die Oscars in der Fashionbranche genannt werden, ist dabei nur eine von vielen Gelegenheiten für die Designer, ihr Produkt zu platzieren. Filmpremieren, Talkshow-Auftritte, Preisverleihungen - die schier endlose Parade über die roten Teppiche wird inzwischen über Twitter und per Facebook live kommentiert, Plätze auf den Best-Dressed-Listen sind schon verteilt, bevor sich die Prominenten im Saal überhaupt gesetzt haben.
Mit der Bilderflut ist der Einsatz gestiegen. So war es Louis Vuitton angeblich eine halbe Million Dollar wert, Gwyneth Paltrow für die Oscars 2011 mit Schmuck auszustatten. Julianne Moore kassierte die gleiche Summe dafür, sich bei den Golden Globes 2013 mit Bulgari zu schmücken.
Das Schachern um die Stars als laufende Werbeflächen ist in der Branche kein Geheimnis mehr. So plauderte Merle Ginsberg, Reporterin des einflussreichen Branchenblatts "Hollywood Reporter", gerade einiges in einem Interview aus. Es sei normal geworden, dass Labels ihr Marketingbudget darauf verwenden, sich, wie es heißt, "Zugang zu sichern". "Die Designer machen das ganz geschickt", sagt sie. "Die Schauspielerin darf etwa das Kleid vom roten Teppich behalten, wird zu den Modenschauen nach Europa eingeflogen oder bekommt das ganze Jahr über Kleidung umsonst."
Für die Prominenten geht es also um weit mehr, als bloß für einen Abend hübsch ausstaffiert zu werden. Ein aufsehenerregender Auftritt kann außerdem zu einem lukrativen Werbedeal führen, der oft um ein Vielfaches besser dotiert ist als eine Filmgage. Selbst ein relativ unbekanntes Gesicht wie Hailee Steinfeld ("True Grit") wurde für ihre Performance auf dem roten Teppich während der Awards Season vor zwei Jahren mit einer Werbekampagne für Miu Miu belohnt. Auch Mila Kunis und Emily Blunt kamen so an ansehnliche Verträge. Wer zur A-Liga zählt, kann für eine Kampagne schnell bis zu zehn Millionen Dollar einstreichen.
Die Agenten wollen an dem Handel natürlich mitverdienen. So hat in Hollywood inzwischen fast jede große Schauspieleragentur eine Abteilung dafür, Stars mit Marken zu verkuppeln. Merle Ginsberg: "Wenn ein Designer einen Prominenten einkleiden will, schaltet sich der Agent dazwischen: Der Deal sollte 200.000 Dollar wert sein. Und das ist noch tief geschätzt."
Nebenbei ködern die Modehäuser Stylisten, ohne deren Hilfe kaum ein Prominenter überhaupt noch das Haus verlässt. Geldgeschenke, Gutscheine, sogar Facelifts für umsonst würden angeboten, um das Wohlwollen eines Stylisten zu gewinnen, so Philip Bloch, einer der prominentesten Anziehhelfer der Branche. Gleichwohl behauptet er, selbst nie bestochen worden zu sein.
section
Entschuldigung, Facelifts?! Das wirkt selbst für Hollywood wahnsinnig. Und gibt einen Einblick, für wie gewaltig der Einfluss der Stars gehalten wird. Aber macht es für den Umsatz der Unternehmen überhaupt einen Unterschied, ob in einer Anzeige ein bekanntes Gesicht auftaucht oder ein unbekanntes? Die PR-Branche ist davon überzeugt. Die Regel lautet: Wer als Kunde einen Prominenten bucht, erspart sich die Arbeit, rund um das Produkt eine Geschichte zu inszenieren. Der Star ist bereits die Geschichte und garantiert fast automatisch Berichterstattung in den Medien. Ein scheinbar einfaches Geschäft.
Marktforschungsstudien zufolge erreichen den Durchschnittskonsumenten zwischen 2.500 und 10.000 Werbebotschaften am Tag. Eine bekannte Persönlichkeit bleibt da eher in Erinnerung als ein anonymes Model. Vielleicht hat man den Star gerade im Kino gesehen, bewundert ihn oder sieht ihn sogar als Vorbild. Erfolg zieht an.
Die Kalkulation mit Stars birgt aber immer auch ein Risiko. So versuchen Designer zwar, sich das Wohlwollen der Prominenten mit Plätzen in der ersten Reihe bei Modenschauen zu erkaufen. Beyoncé und Rihanna verdienen angeblich 100.000 Dollar damit, sich einfach bloß hinzusetzen, Blake Lively bekommt immerhin 50.000 Dollar, und Jessica Chastain soll, so hartnäckige Gerüchte, 800.000 Dollar dafür kassiert haben, 2011 eine Armani-Privé-Show zu besuchen. Aber das ist keine Versicherung dafür, dass plötzlich jemand in der Mode auftaucht, mit dem man nicht gerechnet hat. Weil er oder sie sich - wer kommt denn auf die Idee? - die Klamotten selbst gekauft hat. Eine Lindsay Lohan oder Kim Kardashian gelten als schlimmere Imagekiller als eine misslungene Kollektion.
Überhaupt ist die Liaison zwischen Stars und Marken so normal geworden, dass jede freiwillige Anschaffung auffällt. Im günstigsten Fall zahlt ein Modehaus noch nicht einmal für den Prominenten. Die Glaubwürdigkeit, die etwa die Herzogin von Cambridge ausstrahlt, ist schlicht unbezahlbar. Kate adelt jedes Outfit, in dem sie auftritt, und kann dafür sorgen, dass sich ein schlichter Pumps von Marks & Spencer plötzlich im Zwei-Minuten-Takt verkauft. Sie ließ die Verkäufe der Marke Alexander McQueen im Jahr nach ihrer Hochzeit mit Prinz William um 27 Prozent steigen - weil ihr Brautkleid im Hause McQueen geschneidert wurde.
Eine ähnlich große Wirkung hat nur Michelle Obama. Mächtig, charismatisch, beliebt und weltweit bekannt: Mit dieser Kombination generiert sie bei jedem öffentlichen Auftritt bis zu 14 Millionen Dollar Einnahmen für das Modelabel, das sie gerade trägt. Zu dieser unfassbaren Zahl gelangte eine Untersuchung des "Harvard Business Review". Experten sprechen inzwischen vom Obama-Effekt: Die First Lady wirkt authentisch, weil sie Designerkleider mit günstigen Labels mischt. Unter ihrem Einfluss wurde die Marke J. Crew international bekannt. Sie hat die Karrieren von US-Designern wie Naaem Khan angeschoben. Der konnte sein Glück selbst nicht fassen: "Sie ist ein Geschenk! Sie lässt die Kleider nur so aus den Regalen fliegen." Auch Jason Wu war ein Unbekannter, bevor Michelle Obama eine seiner Roben zur Amtseinführung ihres Mannes 2009 trug. Inzwischen hat Wu seine Marke um Brautmode und Accessoires erweitert und verkauft Nebenlinien bei großen amerikanischen Kaufhausketten wie Target und Nordstrom.
Und dann gibt es noch die Momente, in denen ein Designer einfach nur Glück hat: Als Jennifer Lawrence sich ihren Oscar abholen wollte, stolperte sie auf der Treppe zur Bühne - und blieb für einen Augenblick dort knien. Alle Kameras klickten. Am nächsten Tag setzte ein findiger Tumblr-User den Schriftzug "Christian Dior - Paris" unter das Bild. Die Aufnahme ging als gefälschte Anzeige um die Welt. Dior mag viel dafür bezahlt haben, Lawrence für die offizielle Werbung zu buchen. Doch erst der unretuschierte Blick auf eine schöne Frau im Moment eines großen Triumphs bei rührender Schutzlosigkeit war für die Marke Gold wert.
section