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Baptiste Giabiconi über Karl Lagerfeld "Er hatte in seinem Leben nur eine große Liebe"

Chanel-Designer Karl Lagerfeld und seine Muse Baptiste Giabiconi verband eine enge Freundschaft.
Chanel-Designer Karl Lagerfeld und seine Muse Baptiste Giabiconi verband eine enge Freundschaft.
© Getty Images
Männermodel Baptiste Giabiconi spricht offen wie nie über seine enge Freundschaft zu Karl Lagerfeld, dessen Kampf gegen den Prostatakrebs und das Erbe, das er der Welt und seinen engsten Vertrauten hinterlassen hat.
Die Erinnerung an seinen Freund und Mentor ist für Baptiste Giabiconi noch immer schmerzvoll. All die Orte, die ihn mit dem verstorbenen Modezaren verbinden, ihre Gespräche und Projekte halten "Karl den Großen" in der Erinnerung am Leben. Doch diese Erinnerungen, so erzählt Giabiconi im Gespräch mit RTL zum ersten Todestag, tun auch sehr weh.
"Karl war letztlich er ein Gefangener seiner eigenen Person. Dank mir kam eine gewisse Frische in sein Leben, eine gewisse Freiheit. Er sagte sich: 'Ich kann auch wie alle anderen sein. Ich bin zwar nicht wie alle anderen, aber mit Baptiste, kann ich es ein bisschen sein'", so Baptiste Giabiconi im exklusiven Interview zum ersten Todestag von Star-Designer Karl Lagerfeld. Das Männermodel und den Modeschöpfer verband eine enge Freundschaft, die von Anfang an magisch gewesen sei.
 "Es war seltsam, als wir uns begegneten, hatte ich das Gefühl, dass wir uns schon immer kannten. Obwohl nichts dafür sprach, dass wir uns kennen könnten. Es gab so ein Feeling, irgendetwas ist da zwischen uns passiert, eine Verbindung", ist sich Giabiconi sicher.

Karl Lagerfeld: Erinnerungen zum ersten Todestag

Wen glaubst Du hat Karl geliebt?
Ich glaube, Karl hat in seinem Leben eine große Liebe gehabt und das war Jacques de Bascher. Das hat er mir anvertraut, wir haben darüber gesprochen. Es war furchtbar für ihn, Jacques de Bascher zu verlieren. Und die Jahre nach seinem Tod, das heißt ab September 1989, waren für Karl kompliziert und schwierig. Er wollte damals viel allein sein bei sich zu Hause, sich nicht unbedingt in den Medien zeigen.
Karl hing sehr an den Leuten, die ihm umgaben. So wie Sébastien. Und er sagte mir, dass er ihnen alles überlassen würde, wenn er eines Tages nicht mehr wäre.
Das stimmt. Ich glaube, Karl wollte sich eine Familie schaffen. Eine Familie, die er sich selber ausgesucht hatte. Eine Familie sucht man sich normalerweise nicht aus. Aber er hatte dieses Talent und dieses Glück, sich die Personen auszusuchen, mit denen er sich umgeben wollte.  
Er wollte nicht, dass an dem Tag, an dem er den Löffel abgeben würde, wie er immer sagte... er hat das immer genau so gesagt: "Wenn ich eines Tages den Löffel abgebe, so spät wie möglich, will ich nicht, dass ihr danach für irgendjemanden arbeitet." Das war sein Wille. Wir hatten das Glück, in Karls Leben zu treten und danach sollten wir keine Sorgen mehr haben. Das wollte er tief im Inneren.
Du hast mit Karl Sachen gemacht, die er mit niemand anderem machte. Die Fotos auf denen Du nackt mit High Heels posierst zum Beispiel. Jetzt hast Du Dich auch wieder ausgezogen, um auf Prostatakrebs aufmerksam zu machen. Warum hast du das gemacht?
Karl war der einzige, für den ich nackt posiert habe, weil wir eine absolute Vertrauensbasis hatten. Wir waren eins. Ich konnte mich frei ausdrücken, es gab zwischen uns keine Tabus. Ich wollte nie für irgendjemand anderes posieren. So ein Vertrauen schenkt man nicht irgendjemandem. Das verschenkt man nur einmal im Leben. Und das war für Karl.
Was die Botschaft auf TF1 angeht, das war selbstverständlich, um ihm eine Hommage zu machen, er ist nicht mehr bei uns, er hat gegen diese Krankheit, Prostatakrebs, wie ein Krieger gekämpft. Als ich von der Sendung gefragt wurde, ob ich mich  für den guten Zweck ausziehen würde, habe ich nicht eine Sekunde lang gezögert.
Dieser Krebs hat für mich eine große Bedeutung, da Karl leider daran gestorben ist.
Inwiefern hatte Karl auch eine kräftezehrende Seite?
Karl war jemand, der Exklusivität liebte, er wollte, dass man nur ihm gehörte. Er wusste, was er tun musste, um uns das zurückzuzahlen, denn wir haben viel Zeit damit verbracht, immer für ihn da zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass er manchmal wie ein Vampir war, der immer auf der Suche nach frischem Blut war.
Ich habe angefangen mit Karl zu arbeiten, als ich 18 war, das heißt ich war mehr als frisch. Es hat mich getroffen, als ich ihm einmal gesagt habe, dass man auch mal Zeit braucht, um zu genießen, dass es gut sei, zwischen der Arbeit ein bisschen Luft zu lassen. Ich habe gemerkt, dass das für ihn inakzeptabel und undenkbar war. Es ist meine eigene Analyse, aber ich glaube der Unterschied ist, dass ich noch viel Zeit vor mir hatte und er nicht. Deswegen hat er die Zitrone immer bis zum letzten ausgepresst. 
Du hattest auch keine Zeit, Deine Familie zu sehen?
Ich war wie in einer Maschine, Vollgas unterwegs, zusammen mit Karl. Wie in einem Zug, der mit voller Geschwindigkeit fährt und aus dem man nicht aussteigen kann. Es gibt keine Haltestelle auf dieser Fahrt. Wenn du aussteigen willst, musst du springen, mit dem Risiko dich zu verletzen. Ich habe versucht, ihm klar zu machen, dass ich auch Zeit mit meiner Familie verbringen möchte, dass ich Energie tanken muss. Das war nicht einfach, aber er hat es akzeptiert, aus Liebe zu mir. Er wollte nicht, dass unsere Beziehung darunter leidet. Ich hatte wohl einige Privilegien, die andere nicht hatten.
Was ist die wahre Geschichte von Choupette?
Choupette wurde mir 2011 zu meinem Geburtstag geschenkt. Es war genau die Katze, die ich mir gewünscht hatte, eine Birma-Katze. Ich habe sie Choupette genannt (Schnuckilein), was ein ziemlich alltäglicher und einfacher Name ist. Eineinhalb Monate später war Weihnachten und ich wollte in den Süden, um mit meiner Familie zu feiern. Ich frage also Karl, ob er auf Choupette aufpassen könne, damit ihr der Weg und Transport erspart bleibt. Am Anfang sagt er nein,  aber am Ende willigte er ein. Er hat sich Hals über Kopf in sie verliebt, war wie in Ekstase. Als ich Choupette abholen wollte, fragte mich Karl: "Das tust du mir an, nach allem, was ich für dich getan habe?" Ich sagte daraufhin: "Das stimmt, aber ich habe sie doch geschenkt bekommen!?" Ich nehme die Katze also mit, aber er war wirklich sehr, sehr unglücklich darüber. Wir haben fast eine Woche lang nicht miteinander gesprochen. Ich habe gemerkt, dass er wirklich an Choupette hängt. Nach vier, fünf Tagen rief ich ihn an und fragte ob er zu Hause sei. Da habe ich Choupette in einen Sack gepackt, bin zu ihm gefahren und habe sie ihm als Geschenk überreicht. 
In Deutschland sprechen alle von Choupette und sagen, dass Karl ihr sein Vermögen vererbt hätte.
Na klar, er hat ihr eine Insel gekauft (lacht). Nein, im Ernst. Choupette ist sehr glücklich heute. Sie lebt mit Françoise, der Person, die Karl für sie ausgesucht hat. Françoise kümmert sich hervorragend um sie. Aber nein, geerbt hat sie nicht, ob in Frankreich oder woanders, ein Tier kann kein Vermögen erben. 
Karl erzählte immer gerne solche Geschichten, es gehört zum Mythos von Karl, solche Geschichten zu erfinden. 
Wann hat Karl Dir erzählt, dass er krank sei?
Ich habe es eines Abends Anfang 2016 in seiner Wohnung am Quai Voltaire erfahren. Da hat er es jedenfalls zum ersten Mal formuliert. Ich hatte vorher schon kleine Zeichen bemerkt, körperlicher Art, die mich ahnen ließen, dass er krank war. Aber ich wusste nicht genau, was er hatte. Er wollte das Thema mit mir nicht ansprechen. Er hat es mir nicht direkt gesagt, aber ich stellte ihm Fragen und er nickte mit dem Kopf. Ich habe also verstanden, dass er Prostatakrebs hatte, dass er Bluttests hatte machen lassen und sein PSA-Wert zu hoch war.
Erinnerst Du Dich an die letzten Worte, die ihr ausgetauscht habt?
Karl wollte mich beschützen in den letzten zwei Monaten. Mir war klar, dass es ihm nicht gut ging, als er nicht zur Show von Chanel kam. In der Zeit schrieben wir uns vor allem SMS. Ich rief ihn morgens und abends an. Aber ich verstand auch, dass er manchmal nicht antworten konnte, weil er im Krankenhaus war und viel Zeit mit Behandlungen verbrachte. Er fuhr oft zwischen seinem Zuhause und dem Hôpital Americain hin und her.
Das letzte Mal, dass wir uns austauschten war, als ich in London war. Ich hörte, dass er eine angeschlagene Stimme hatte, er erklärte mir, dass man ihm Wasser aus der Lunge gepumpt habe. Ich sagte ihm, dass es nächste Woche bestimmt besser gehe. Ich wollte keine Trauer zeigen, denn er mochte nicht, wenn man ihn für sein Schicksal bemitleidete. Er sagte nur: "Baptiste, nächste Woche wird es nur noch schlimmer sein." Als er mir das sagte, mit dieser Stimme, war mir klar, dass er mich auf etwas vorbereiten wollte. Es war, als ob er sagen wollte, dass er genug von all dem hatte.
kst Gala

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