Die Maskerade begann in Qingdao. An den Stränden der ostchinesischen Küstenstadt tauchte das derzeit am heißesten diskutierte Beauty-Accessoire zum ersten Mal auf: der Facekini. Ein Stück Badeanzug- Stoff, der das Gesicht bedeckt, ausgenommen Augen, Mund und Nasenspitze. Er soll die Haut vor der Sonne und der in Asien so ungeliebten Bräune schützen. Die Bilder der Facekini- Trägerinnen von Qingdao gingen um die Welt. Vergleiche mit Pussy-Riot- Aktivistinnen, Bankräubern und Fetischmode-Fans wurden bemüht, die Fotos bestaunt, vor allem aber belächelt. Jetzt sorgen neue Bilder (siehe ganz links) wieder für Aufmerksamkeit. Vor allem aber adeln sie den Facekini als Fashion-Item: Carine Roitfeld, ehemalige Chefredakteurin der französischen "Vogue", zeigt in der aktuellen Ausgabe ihres Magazins "CR Fashion Book" Models in edler Bademode, mit Schmuck von Armani, Bulgari & Co. – und genau jenen Masken, die in China für 25 Yuan, umgerechnet etwa drei Euro, zu haben sind.
Stylebewusste Chinesinnen hatten beim Anblick der knallbunten Hauben zunächst die Nase gerümpft und erklärt,die seien wohl dazu da, um die Falten älterer Frauen zu verstecken. Seit Roitfelds Ritterschlag ändert sich das. Und sogar im sonnenteintsüchtigen Westen diskutiert man mittlerweile, ob der Facekini zum Trendteil taugt. Eine kluge Investition ist er wegen seiner Lichtschutzfunktionauf jeden Fall.
In China und in Asien insgesamt gilt ein weißer Teint als besonders schön und sehr feminin. (Tatsächlich ist die weibliche Haut bei jeder Ethnie etwa zehn bis 15 Prozent heller als die männliche.) Rund 60 Prozent des Umsatzes bei Pflegeprodukten werden in China mit Whitening-Artikeln erzielt. Interessanterweise sind in den Kampagnen jener Produkte, die extra für asiatische Haut entwickelt wurden, nicht nur chinesische Filmstars wie Zhang Ziyi oder Top-Models wie Liu Wen zu sehen, sondern auch westliche Gesichter.
Was asiatische Haut in der Anlage von unserer unterscheidet? Sie ist dicker – und dennoch empfindlicher. Daher hat sie in den Städten mit Umwelteinflüssen wie Smog zu kämpfen. Die schädigen die Hautstruktur und lassen sie noch einen Hauch gelblicher erscheinen. Mit dem Alter verstärkt sich dieser Ton. Und: Asiatinnen kämpfen im Vergleich zu Europäerinnen früher und massiver mit Pigmentflecken.
Den Wunsch nach mehr "Fairness", also nach einer möglichst reinen, weißen Haut, sollen Whitening-Produkte mit Enzymen, Zuckerkomplexen oder Fruchtsäuren erfüllen. Insgesamt stehen etwa zwei Dutzend zugelassene aufhellende Wirkstoffe zur Verfügung, die Gelbton und Hyperpigmentierungen regulieren.In dubiosen Bleichtinkturen tauchen auch gefährliche Ingredienzen wie Quecksilber oder Wasserstoffperoxid auf. Die Zielgruppe dafür ist aber überschaubar: Einen extrem gebleachten, künstlich wirkenden Look lehnen vor allem junge Chinesinnen heutzutage ab. Sie bevorzugen den zarten Honigton. Ein neues Slangwort lautet "Baifumei". Es setzt sich zusammen aus den Begriffen für "hell", "reich" und "schön" ...
Mindestens so wichtig wiedie Korrektur des Teints mit-hilfe aufhellender Cremes sind den Chinesinnen vorbeugende Maßnahmen. Wo immer es geht, meiden sie die Sonne. Riesige Hüte, Visoren, Schirme und Handschuhe gehören gerade in den Mega-Citys zum Straßenbild. Da ist die Erfindung des Facekinis nur konsequent. Unserer Haut wäre es zu wünschen, dass er sich weltweit durchsetzt. Nur unseren Look müssten wir noch auf dieses Beauty-Accessoire abstimmen.